Blaue Felder bis zum Horizont: in Guanajuato sind wir im intensivsten Agavenanbau gelandet, den wir je gesehen haben. Ein schöner Kontrast zum sonnenuntergang-orangen Dämmerungshimmel. Queretaro und Guanajuato verwöhnen uns mit besten Strassen, nur manchmal leider auch mit etwas viel Verkehr. Immer häufiger stecken uns Leute etwas zu essen oder trinken zu, manchen Schein lehnen wir auch dankend ab, da es einfach zu grosszügig wäre. Ob die vermehrte Spendenlust wohl am nahenden Weihnachten oder an der allgemein etwas reicheren Gegend liegt? Je weiter wir von den Hochtälern Zentralmexikos hinunterfahren, nach Jalisco hinein, desto mehr wandelt sich die karge Landschaft mit Reben und Kakteen hin zu reichen Anbauflächen. Spürbar mehr Wasser ermöglicht hier wieder die Kultur von Mais, Tomaten, Kichererbsen und insbesondere Maguey. Am grössten See des Landes vermitteln Beeren unter Plastik im Dunst den Eindruck von Schnee in der Ferne. Bald darauf sehen wir schon wieder Zuckerrohr.. Wie anders dieser Winter ist! Ja, wir packen über Nacht die Schlafsäcke aus (auch wenns damit fast schon zu warm wird), doch wenn ich ein Jahr zurück an Frankreich denke.. hier reiht sich Sommertag an Sonnentag, die Mangobäume sollen bald blühen und an der Lagune liegen Krokodile träge im warmen Sand. In Nayarit sind wir fast ganz im Westen angekommen, zum zweiten mal an der Pazifikküste. Ab jetzt haben wir die Sonne zumeist im Rücken, es geht nordwärts. Dennoch sind wir immer noch in etwa auf geografischer Breite Südmarokkos unterwegs, und erstaunt wie südlich auch die USA eigentlich sind. Unser nächstes grosses Ziel, Vancouver, liegt ja etwa so nördlich wie Strassburg…
An Weihnachten versuchen wir den Tipp unserer letzten Fahrrad-Bekannten zu befolgen und ein Restaurant zu besuchen. Anscheinend geht man schon seit Tagen in jeweils wechselnder Besetzung auswärts essen - mit Freunden, Familie, Arbeitskollegen oder Nachbarn - Weihnachten wird mehrfach gefeiert. Am 23. ist tatsächlich viel los in dem Provinzstädtchen, wo wir zwei Tage bleiben wollen. Buntes Markttreiben, letzte Geschenkekäufe, tatsächlich leckere Churros und viele Menschen auf der Strasse. Am 24. scheint dann jedoch alles ausgestorben. Nicht einmal das sonst so alltägliche Feuerwerk zerreist die Stille. Ein offenes Restaurant finden wir nicht, und gönnen uns stattdessen einen Drink im Hotelzimmer, sowie einige lange Telefonate mit den Lieben zu Hause. Familienzeit.
Sirren, Pfeifen, Flügelschlagen. Grosse Vogelschwärme ziehen ein paar Tage später morgens über unser Zelt hinweg. Die Mangofelder und wasserreichen Flutgebiete Nayarits bieten nicht nur uns, sondern auch zahlreichen Zugvögeln eine willkommene Ruhestation auf ihrer Reise. Am morgen folgt eine der herzlichsten Begrüssungen, die wir bisher auf freiem Feld erlebten durften. Der Bauer, an dessen Feldrand wir unser Nachtlager recht gut versteckt aufgeschlagen haben, hat uns dennoch entdeckt und freut sich, dass wir so gut ausgeruht aussehen. Dass Reisende von so weit her die Schönheit seiner Region erkennen, freut ihn sichtlich und ist wohl ein kleines Tor in eine unerreichbar grosse Welt. Ein schönes Gespräch, und ein Fokusmoment der Freundlichkeit, der wir hier immer wieder begegnen dürfen. Danke.
Und nun sitzen wir in der Fähre von Mazatlan nach La Paz, eine Nachtfahrt in nochmals eine eigene Welt. Sie führt uns auf die Halbinsel Baja California und in die letzten zwei Bundesstaaten auf unserem Weg durch Mexiko, von denen uns oft erzählt und vorgeschwärmt wurde. Wüste und Trockenheit erwarten uns, jedoch auch das unendliche Meer. Auf der Karte sind die Orte weiter auseinander gelegen, wir werden wohl statt fünf wieder standardmässig zehn Liter Wasser mitführen und schauen, wie es wirklich ist.. vielleicht werden wir Wale sehen?