In Bacalar erschreckt uns ein ‘Negativblitz’. Wir geniessen unser Abendessen in einem hübschen kleinen Restaurant in der Nähe der Lagune, in der Ferne kündigt sich ein heftiges Gewitter an. Das Wetterleuchten naht als wir auf dem Nachhauseweg sind, gleissende Helligkeit durchzuckt den Himmel, und plötzlich: rabenschwarze Dunkelheit, viel tiefer als sich unsere Augen eben noch gewohnt waren. Für ein paar Sekunden ist der Strom ausgefallen. Strassenlampen, Wohnungsfenster, schlagartig ist alles in Nacht gehüllt. An allen Ecken ist zu merken: die Regenzeit beginnt.

Tagsüber gibt es immer mal wieder 30 Minuten heftige Schauer, die mit unserem Dach (keine tränenden Augen) und der hiesigen Hitze jedoch eher willkommene Abkühlung denn unangenehm sind. Überhaupt: habe ich eigentlich schon mal erwähnt, wie toll es ist, ein Solardach zu haben? Wir erwarteten einmal, unser normaler Reisetag würde früh bei Sonnenaufgang beginnen, die kühlere Morgenzeit nutzen und spätestens um 12 wäre Siesta angesagt. Zu heiss, zu sonnig, kein Fahrradwetter mehr. Stattdessen beginnt um elf erst die beste Fahrzeit: die Sonne steht hoch, der Fahrtwind kühlt uns und die Solarzellen, die dadurch Höchstleistung erbringen. Wir fahren meist 25km/h ohne dass die Batterien leerer werden, und sind meist fast komplett im angenehmen Schatten. Erst um halb zwei wird es wieder so heiss wie am Morgen, dafür dann umso unbarmherziger.

Normalerweise fahren wir ab fünf dann nochmal ein-zwei Stündchen weiter, bevor wir uns langsam nach einem Rastplatz umschauen. Wenn es abends einmal nicht regnet, wird die Nacht unglaublich tüppig-heiss. Nicht das leiseste Lüftchen geht. Du liegst im Zelt, bewegst dich nicht, und fühlst Schweisstropfen die sich langsam auf deiner Haut bilden, den Rücken runter rinnen.. seltsamerweise trocknet ab und an ein Fleckchen fast komplett, und löst einen lokalen Kälteschauer aus. Ein Gefühl fast wie Fieber.

seeblick.jpg

Auf unserem Weg Richtung Belize sind wir im Süden Mexikos angekommen, fast schon an der Grenze. Die Lagune ist wunderschön: glasklares Wasser, grün- und blautöne von Türkis bis Petrol, einfach treiben lassen im Pueblo Magico.. Es ist noch nicht ganz Zeit, nach Belize einzureisen. Daher überlegen wir uns was wir in diesem Monat tun möchten und entscheiden uns, eine Weile hier zu bleiben. Rita möchte gerne richtig anfangen Spanisch zu lernen, und wir würden uns über etwas mehr Kontakt mit Einheimischen freuen. Auf Workaway finden wir ein vielversprechendes Inserat von Ecotucan, und tatsächlich klappt die Vermittlung auf Anhieb, und es scheinen sehr sympathische Leute zu sein!

In zehn Tagen können wir beginnen, bis dahin machen wir noch einen kleinen Abstecher ans Meer in Mahahual. Ein weiteres Mal Schnorcheln im zweitgrössten Riff der Welt hinterlässt gemischte Gefühle. Wie schon in Belize sind fast alle Korallen die wir sehen abgestorben braun, dennoch bleiben die Meeresbewohner ein Erlebnis. Wir sehen Karettschildkröten, die am Boden Seegras weiden und sich possierlich mit den Flossen über den Kopf wischen. Ab und an schwimmen sie an die Oberfläche, nehmen ein paar Atemzüge und tauchen dann in aller Ruhe wieder ab. Stachelrochen, einer so gross dass Ritas Arme fast nicht ausreichen, ihn zu beschreiben, und verschiedenste bunte und getarnte, grosse und kleine, geschäftige und gelassen sich mit der Strömung wiegende Fische. Aktuell ist Nebensaison, Sargassumzeit und bald schon gibt es erste Hurrikane. Durch Überdüngung und den Klimawandel breitet sich im Golf von Mexiko jährlich eine Todeszone aus, und es kommt zu einer grossen Algenblüte. Einzelne Flecken dieser Teppiche haben wir schon auf der Avontuur gesehen, und hier ist der Strand kilometerweit von faulendem Seegras bedeckt. Dafür hat es nur wenige Kreuzfahrtschiffe, allgemein recht wenige Touristen und die Atmosphäre ist sehr entspannt.

Der Weg zurück nach Bacalar führt uns wieder über eine der schlechtesten Strassen bisher, leider alternativlos. Orange und schnurgerade auf der Karte eingezeichnet, bedeutet dies in der Realität Stunden konzentriertes Geradeausfahren vor der nächsten Kurve. Zu viel und zu schneller Verkehr begleitet uns - da wir auf einem grosszügigen Pannenstreifen fahren glücklicherweise meist in sicherem Abstand. Wenn es nicht zu laut ist können wir auch Musik hören oder Vokabeln lernen, uns unterhalten und die Vögel wahrnehmen. Hin und wieder stinkt es bestialisch: verwesende Hunde, verendete Vögel, Kröten und einmal ein Nasenbär erinnern uns an die Gefahren der Strasse. Auch kleine Gedenkhäuschen mit Blumen lassen immer wieder die Frage aufkommen, wie häufig hier Unfälle passieren. Sicherlich ist der Verkehr die realistischste Gefahr, der wir uns in Mexiko aussetzen. Wie freuen wir uns da wieder auf unsere gewohnt kleinen, kurvigen und autoarmen Strassen, begleitet von übersprudelnder Natur!

blattschneider.jpg

Und nun sind wir in Ecotucan. Jeden Tag Baden in der Lagune, Spanisch lernen für Rita und Weiterbildung in Web-Technologien für mich, viel Zeit zum Lesen und sein. Fünf Stunden am Tag arbeiten wir im Service des Restaurants oder an der Reception, meist läuft nicht viel und ab und zu dafür umso mehr. Die Leute sind sehr nett und es gibt genügend Gelegenheit für Gespräche und Kulturaustausch - insbesondere mit unserem aufgestellten und vielseitig interessierten Koch Alan sind Arbeit und Austausch eine Freude, und es gibt immer etwas zu lernen. Wir kriegen einen exklusiven Einblick in die traditionelle lokale Küche, oft sogar mit vegetarischer Option: von diversen Agua de Fruta mit Molletes, Chilaquiles oder Quesadillas zum Frühstück, über Fajitas und Frijoles, Salsa Verde und Poblanos rellenos, verziert mit Pico de Gallo oder frittierten Kochbananen-Streifen zum Abendessen bis hin zu Chongos, Mahablanco und typischem Arroz con Leche als Dessert ist viel Leckeres dabei. Und wenn nicht gerade die üblichen Verständigungsprobleme (ihr seid Vegetarier.. aber Fisch und Hühnchen esst ihr doch, oder?) im Weg stehen, geniessen wir meist auch ein gutes Mittagessen (:

Besondere Highlights erwarten uns jeweils in der Natur: mal entdeckt Jaqueline, welche die Dschungeltouren führt, ein Vogelnest in guter Beobachtungslage, dann führt eine Blattschneider-Ameisenstrasse mitten über den Weg. Die Ameisen züchten einen Pilz, welchen sie mit Blättern füttern um ihn danach zu verspeisen. Die Cabañas des Ressorts sind in einem traditionellen Maya-Waldgarten angelegt, die meisten Bäume haben einen medizinischen oder anderweitigen Nutzen, und das beste ist, dass uns erfahrene Leute diese auch benennen können. Mich beeindruckt insbesondere ein grosser silberner Baum - eine Ceiba, der Lebensbaum der Maya wie ich erfahre - welcher laut unserem Host Arthuro erst gerade 20 Jahre alt ist. Angesicht der Grösse und mit meiner Erfahrung aus gemässigten Breiten, hätte ich diesen eher zehn mal so alt eingeschätzt. Auch die Kanutour in den Sonnenaufgang mit Erick darf an dieser Stelle nicht fehlen, wir durften hier wirklich schon einiges entdecken!

Soweit mal Neuigkeiten aus dem Süden, bis Mitte August, dann von Belize ;-)