In Bodø gehts flott runter von der Fähre, und gut erholt entscheiden wir uns gleich noch Richtung Saltstraumen zu fahren – auch wenn die Uhr bald Mitternacht schlägt. Sobald der Baustellenwirrwarr der Stadt nachlässt, haben wir eine herrliche Strasse ganz für uns allein. Und plötzlich, nach einer rasanten Abfahrt, sind sie da. Zwei, fünf, sechs. Und dann noch einer, kurz von ganz nah. Elche. Elegant, fast majestätisch. Schier unmöglich einzufangen im rosigen Hauch einer Dämmerung.
Einige Kilometer weiter: Vogelkreisch – auf Beutefang? – und Flatsch! Fische springen im Meer. Wir finden ein paar erholsam-lärmige Stunden Schlaf unter der Brücke – bei jedem Blinzeln zwischendurch ist das Wasser komplett verändert – bis der stärkste Mᴂlstrom der Welt zu voller Pracht erwacht.
Hohe Scheinwolken am Horizont. Schon von fern grüsst der Svartisen in immenser Grösse, und scheint auf unseren Gletschersturm zu warten. In zwei knappen Stunden eilen wir den Hang hoch, da wir erst spät am Nachmittag die Fähre erreichten. Rund geschliffene Felsformationen, von Adern durchzogen, erwarten uns. Schimmernde Blautöne, vom prachtvollen Sommerlicht zum Leben erweckt. Echt beeindruckend, und doch ist der Engenbreen nur eine kleine Zunge dieser gewaltigen Eismasse – mal eben in der Grösse des gesamten Rhonegletschers.
Ein ganz anderes Kapitel beleuchten häufige Gedenkstätten und Museen, die zahlreiche Camper von der Strasse zu einer dunklen Stunde norwegischer Geschichte locken. Schon seit Kirkenes erinnern immer wieder Minnesteden wie der Ureddsplassen an die Kriegsvergangenheit Norwegens. Hitlers fixe Idee, die Alliierten würden den Kontinent vom Norden her zu erobern suchen, schickte hunderttausende deutsche Soldaten in kleinste Nester entlang der Küste. Immer wieder flammte Widerstand auf, doch die Nazis wurden auch begrüsst.
Wir lesen derweil lieber wie die abwechslungsreiche Fjordlandschaft entstand, die wir im passend wechselhaften Wetter vorfinden. Mithilfe einer Brottüte (hoffentlich korrekt übersetzt) erfahren wir vom Wettstreit der mächtigsten Lofoten-Fürsten: Vågakallen ist der höchste Gipfel zwischen Schweden und dem Meer – und wie wir wissen gibt es in Schweden keine richtig hohen Berge – aber dies gilt erst seit dem wilden Ritt des Hestmannen (Pferdemann) von Svolvᴂr in den Süden, wo er in einem tiefen Fjord gestrandet ist. In blinder Liebe entbrannt – der Reiter hatte die Frau Lekamøy beim Hüten der sieben Schwestern (De syv Søstre) gesehen – hatte dieser komplett den Wettstreit vergessen, und war Hals über Kopf losgeritten. Dumm nur, dass kurz vor der ersten Umarmung die Sonne über dem Horizont auftauchte, und die Trolle zu regungslosem Stein werden liess..
Auf unserem weiteren Weg in den Süden linsen wir von Ferne durchs Schlüsselloch des Torghattan, entdecken Jurawaldtäler neben kahlen Gipfeln mit Schneehäubchen und schmecken immer wieder Meergeruch zwischen zäh erklommenen Höhenzügen. Just nach so einem Pass – total verregnet bei einem Rastplatz Zuflucht suchend, den letzten Aufstrich von meiner Mutter grad leergefuttert – kommt ein neuer Gruß aus der Heimat geflogen: wir treffen Andrea und ihre Kumpanen aus der Schweiz, die uns ein Päckchen Blevita zur Stärkung anbieten. Danke sehr, perfektes Timing (=
Nur ein paar Tage später erleben wir ein Dejavu: Andrea (diesmal aus Deutschland) und Gunnar haben ihren Camper weit hinten in einem Fjord hingestellt, um nach Muscheln zu tauchen und die Ruhe zu geniessen. Völlig unerwartet kommen wir so zu einer reichhaltigen Stärkung – selbst gebackenes Brot, Honig von den eigenen Bienen und verschiedenste leckere Marmeladen. Dazu die besten Tomaten, die wir seit der letzten Gemüseernte zu Hause gegessen haben. Einfach Luxus! Und wir hatten gedacht wir fahren durch bis zum nächsten Camping an einem regenverhangenen Tag..
Zwischen all den Erlebnissen verläuft die Reise schön unspektakulär: lange gewundene Strassen, eine Nacht mit der fiesesten Sorte Mückenplage (kleine Stechfliegen krabbeln schnurstracks durch unser Moskitonetz, vertragen aber glücklicherweise das Mückenmittel schlecht), Abendsonne beim Häuptlingssitz in Sandsjøen, Fähren und gfürchig lange Tunnels, Rütteltest auf 17km Baustelle und herrlich erfrischende Bergbachduschen.. intensiv und abwechslungsreich. Und im heissen Sommerwetter haben wir heute vertraute Pfade erreicht: diese Zeilen entstanden bereits in Trondheims Torget Elefantplassen.