In der Sauna tauen die Finnen auf – und werden plötzlich ganz gesprächig. Und auch sonst werden die Menschen wieder neugieriger, nehmen selber eher den Kontakt auf je weiter wir in den Norden kommen. 24 Stunden sonnig blauer Himmel hilft vielleicht. Auch auf dem Campingplatz erleben wir eine begeisternde Begegnung. Dennis und das Chamäleon sind auf einer mutigen Reise – zwei, drei Jahre Fahrrad fahren für einen guten Zweck: www.dennis-breiser.de

Von der Küste wieder ins Landesinnere, die meisten Menschen schon fast hinter uns. Rovaniemi ist die letzte Hochburg: das Santa Village im Sommer eine traurig-kurlige Schau-Baustelle. Seltsame Touristen, passend zu den Souvenirs. Uns zieht es weiter, weg vom Kommerz, in die wundervolle Wildnis jenseits des Polarkreis hinein. Auf der Strasse umgeben von Camping-Fahrern, Fotokameras, einmal einem ganzen Konvoi Italiener, fahren wir doch dorthin, wo ähnlich Gestimmte leben:

Ein Stück die Strasse weiter, wo die Nordlichter in der Langen Nacht schon ungestört von Strassenlampen zu sehen sind, schaffen sich Henrika und Erik eine kleine Oase. An einem See suchen wir nach einem Plätzchen wo wir unser Zelt stellen dürfen, fahren dabei an den beiden vorbei – und wieder zurück, da das Ufer privatisiert zu sein scheint. Sie hat schon zuvor neugierig-freundlich gewunken – als wir fragen ob es irgendwo einen geeigneten Ort gäbe, stösst er auch dazu. Aus einem interessierten Gespräch entspringt eine tolle Begegnung, wir dürfen über Nacht am Sandstrand – nothing special – bleiben und unsere erste richtige finnische Sauna – erst noch zusammen, statt getrennt wie im Camping üblich – geniessen. Im schönsten Bad, dass wir kennen: mit stimmungsvollem Licht und gemütlichem Holzofen, Sauna und Dusche gleich nebenan – alles sehr durchdacht und stilvoll eingerichtet. Nach vielen Geschichten, Anekdoten und hoffentlich einer Gelegenheit sich zu revanchieren – die beiden wollen Ende August ihre Flitterwochen in den Alpen verbringen, ob wir da was empfehlen könnten? – kommen wir erst um zwölf zum Zelt zurück, passend um noch den Sonnenuntergang mitzuerleben. Als wir am nächsten Morgen fahrbereit sind musste Henrika schon zur Arbeit in der Huskyranch, während Erik ums Haus fleissig ist – fast alles hier haben die zwei selbst gebaut, vor drei Jahren standen noch Bäume wie auf dem Nachbargrundstück. Eine beeindruckende Leistung.

Die Bäume werden kleiner, die sanften Wellen nehmen Hügel und manchmal fast schon Berggestalt an. Und dann direkt neben der Strasse: die ersten Rentiere! Eins mit mächtigem Geweih, noch halb im Winterkleid. Eher neugierig als scheu beobachten sie uns. Und wir sie. Vom Fahrrad aus, dann langsam näher mit der Kamera, ein kurzes Flüchten, dann wieder stehen bleibend und mit erhobenem Kopf die Lage sondierend, kreisen wir aufeinander zu. Aufgeschreckt von einem schnellen Auto laufen sie ein Stück in den Wald, schlendern dann unbeeindruckt vom Verkehr – die Finnen warten respektvoll – ein Stück die Strasse entlang und nehmen die nächste Abzweigung. Auch später wieder: eine ruhige, gelassene Begegnung zwischen lappländischen Fahrern und querenden Rens. Am Abend finden wir einen glasklaren Moorsee, und erhalten unerwarteten Besuch beim Salatschwingen: ein Einheimischer hat uns auf seinem Weg nach Rovaniemi fahren gesehen - da wir in der Zwischenzeit gebadet hatten sicher schon eineinhalb Stunden her - und war irgendwann von der Aerodynamik so beeindruckt dass er uns wohl richtiggehend gesucht hatte. Ein freundlicher Austausch, und eine etwas seltsame Begegnung..

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Wilde Fahrt durch den Regen zur Amethyst-Mine. Nach anfänglichem Zögern verlockt uns die Aussicht auf einen regensicheren Unterstand schliesslich doch, den Mountainbike Trail vom offiziellen Parkplatz zum Café zu fahren – und prompt setzen wir kurz vor dem Ziel auf, werden nochmal klitschnass. Schieben ist angesagt. Das zweite Mal auf dieser Reise zeigt sich, dass unsere Kettwiesel einfach zu tief gelegt sind. Mein Schaltwerk schrammt an einen Stein und Ende Gelände. Glücklicherweise nimmt das Opferblech am Motor wieder die meiste Energie auf, der Wechsler ist noch halbwegs intakt und unsere Reise geht weiter.. Beim Schürfen nach unseren eigenen Edelsteinen – eine schöne Idee, um den Nationalpark vor einem Ende als Tagebau zu bewahren, und eine nachhaltigere Nutzung zu ermöglichen – wird unsere Führung dann auch fluchtartig abgebrochen. Ein lauter Knall, der Donner ist ganz nah und wir sind auf dem höchsten Hügel weit und breit. Für uns ist das Plätzchen unten im Blockhaus dennoch ein Glücksfall – wir können unsere Kleider trocknen, auf besseres Wetter warten und gemütlich an einem richtigen Tisch kochen. Ach ja, wenn alles Gerade ist muss man nicht mal das Ölfläschchen zudrehen, da es ja normalerweise nicht so einfach umfällt.. Kleinigkeiten am Wegesrand.

Um Inari nimmt die Radlerdichte zu. Wir treffen immer wieder Reisende vom oder zum Nordkap, zu den Lofoten oder auf ganz grosser Tour. Auch Camper – vor allem aus Deutschland – prägen das Strassenbild, fast häufiger als die Rentiere. Hier begegnen wir nach John (unsere erste Radler-Begegnung in Litauen, er hat einen absolut lesenswerten Blog auf [https://www.bicyclebumbles.com/]. Einfach crazy!) dem sicher verrücktesten Abenteurer unserer Reise: James ist mit dem Einrad am Nordkap gestartet! Zwar ohne je auf so einem Reise-Ding gesessen zu sein, aber frohen Mutes um zwei Uhr Nachts durch den 7km-Untermeer-Tunnel.. „It was actually quite nice, nobody driving there.“. Viel Glück bei deiner Reise in die Türkei, geniesse sie!

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Am Inarijärvi (ein riesiger See, scheinbar direkt mit dem Himmel verbunden) fahren wir das erste Mal in eine längere Schlechtwetterperiode. Und ohje, im letzten Regenguss („You got it all as well?“) war unser Solarlader wohl weniger gut verpackt als wir – Wasserschaden! Naja, jetzt mutieren wir halt zu Stromjunkies und müssen die Etappen vom einen Supermarkt zum nächsten Camping immer gut planen. Dabei gibt es viel Zeit für Beobachtungen: finnische Beifahrer scheinen bevorzugt im Auto zu warten, während der Chauffeur ein Eis kaufen geht – auch bei frühlingshaften zehn Grad und in dicker Winterjacke. Im Eingangsbereich fallen uns die Glücksspiel-Automaten auf, die rege benutzt werden – scheinbar ein wenig verschämt, denn die Spieler schauen sich ständig kontrollierend um. Oder haben sie Angst, jemand würde ihre geheime Erfolgsstrategie erraten?

Dafür ist die Natur einfach traumhaft! In geschützten Gebieten ist noch eine Andeutung der ursprünglichen Sumpflandschaften erkennbar. Häufig sehen wir Eichhörnchen und einmal leuchtet ein Fuchs orange vor dem sattgrünen Moos im nordisch-regnerischen Licht, dass die Farben richtig schön hervorholt und den letzten Kiefern einen besonderen Ton verleiht. Die Fichtenwaldgrenze haben wir bereits hinter uns gelassen, und bald soll es nur noch ein schmales Band Birken geben bis einzig Flechten und andere Bodenpflanzen dem langen Leben auf Sparflamme gewachsen sind. Einsame Seen mit einladenden Plätzchen und Stechmücken zuhauf, und zwischen den neugierigen Campern immer wieder einfach Stille. Geniessen.

Nach 4950km und 61 Fahrtagen erreichen wir am 24.6. die nördlichste Station unserer Radreise: Kirkenes in Norwegen. Steinig-rauhe Meeresküste, Fjorde und ein Wasserfall. Etwas wie heimkommen, und erst mal auch einfach etwas müde. Angekommen. Die nächsten Tage werden geruhsam, wir versuchen die Räder etwas auf Vordermann zu bringen und freuen uns auf die Reisen mit den Hurtigruten entlang der Küste.