Röcke fliegen, Regen peitscht! Was für ein Wetter heute Nachmittag kurz vor Ulm. Bei Windstärke 8 bestehen die Ponchos und der Anhänger die erste Zerreissprobe. Nach einer erholsamen Nacht in der Jugendherberge, gehts frisch gewaschen und gestärkt in die Schönwetterphase. Wir haben uns entschlossen, die Donau zu verlassen und Richtung Glonn/Amper/Isar für uns neue Wege zu erkunden. Das heisst nochmal ein paar Höhenmeter mehr, die wir mit viel Sonne aber gut bewältigen. Wir laden jetzt jeden Tag etwas mehr, verbrauchen zwar auch viel aber haben doch jeden Morgen einen vollen Akku. Und die Sonne geniessen nicht nur wir: auf dem Radweg durch Auenwälder und Deichen entlang gibt es immer wieder schöne Begegnungen. Lachende Gesichter, erstaunte Blicke und fröhliche Zurufe begleiten uns. Es ist toll, wie einfach es ist, den Menschen eine Freude zu machen.
Hier entdecken wir auch zufällig unser erstes Naturwunder: einen wachsenden Felsen, 20 Meter lang, teils über 4 Meter hoch mit einem kleinen Bächlein in einer Rinne oben drauf. Dieses lässt den Felsen mithilfe vieler Moosarten über die Jahre langsam wachsen, anstatt den Kalkstein zu erodieren.
Nach einem – zugegeben kurzen und eiskalten – Bad in der Isar finden wir kurz vor Deggendorf ein wunderschönes Plätzchen und lassen den Tag mit Gitarrenklängen und Tee ausklingen.
Kettwiesel-Begegnung bei Deggendorf! Langsames Höhenmeter-Kurbeln im Bayrischen Wald, das viel Zeit lässt, die sanften Hügel zu bewundern. Auf der Höhe dann: die erste ernsthafte Panne. Auf einem steinigen Feldweg bleibt der Umwerfer hängen, das Spannblech am Motor verbiegt sich und wir müssen erst Mal Werkzeug auspacken. Zum Glück ist auch die Hauptstrasse hier umgeleitet, und noch bevor wir das Blech ausgebaut haben bietet uns ein freundlicher Bauer auf dem Quad (die sieht man hier oft) seine Hilfe an. Wir können in der Werkstatt das Blech gerade biegen, mit gutem Werkzeug ist es ruck-zuck wieder befestigt und weiter gehts!
Der älteste Nationalpark und unbelassene Wald Deutschlands – Zauberwald mit letzten Schneeresten, ein steiler Anstieg nach Bayrisch Eisenstein (selbstverschuldet) und gleich nach der Grenze noch einmal, gefolgt von 50km Schussfahrt nach Tschechien hinein – Traumhaft. In den Dörfern mit grell grünen und schreiend orangen Häusern grüssen uns jetzt Hundegebell und Lautsprecherdurchsagen mit Blasmusik (die Menschen hingegen kaum), auf den Feldern Vogelgezwitscher und einmal eine ganze Herde Rehe. Immer wieder scheuchen wir kleine Vögel auf, die weit (über das Nest?) aufsteigen, aus voller Kehle singen und zwitschern und sich dann einfach fallen lassen – Absturzvögel.
Beim Einkaufen oder fragenden Zurufen zu unserem Gespann versteht uns niemand und wir fragen uns, wie man wohl auf Tschechisch richtig grüsst? Am Abend bleibt die Suche nach einem Zimmer in Prestice trotz vieler ausgeschriebenen Pensionen vergebens, und erste Abhängigkeitsgefühle tauchen auf. Der Akku ist zum ersten Mal leer und wir möchten gern in zwei Tagen in Prag sein. In einem Restaurant können wir notdürftig etwas laden, geniessen ein vielseitiges Abendessen und lernen auch unser erstes Wort tschechisch: Ahoi! Grüsst man wohl tagsüber, wir sind uns aber noch nicht so sicher ob die Kommunikation in gebrochenem Englisch und Zeichensprache geklappt hat. So wird auch die Frage nach Unterkunftsmöglichkeit und Wasser zur Challenge, trotzdem ergeben sich ab und zu schöne Begegnungen – Fotografe? Ja klar, auf Wunsch lächeln und posieren wir auch ;)
Mit Megis Hilfe finden wir den idealen Weg nach Prag: der Berounka und Moldau nach gibt es einen guten Radweg, ein echter Geheimtipp für Tourenfahrer, die nach Prag wollen. Wir freuen uns auf die Begegnung mit einer alten SCI-Freundin - und einen Tag Abwechslung in der tschechischen Hauptstadt.