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Als wir das erste Mal nach einem Plätzchen für unser Zelt fragen, erleben wir wieder die ausgesprochene Freundlichkeit der Kanadier. Nicht nur, dass dies natürlich gar kein Problem ist. Nein, wir werden von Norman und Dawn gleich auch noch zur jährlichen Familienfeier - Weihnachten im August, mit mehrtägigem Camping - eingeladen. Drei Tage vergehen mit der intergalaktischen Meisterschaft im Riesen-Unterlegscheiben-Werfen, beim vergleichenden Degoustieren holländischer und hiesiger Pancakes und einem unendlichen Aufgebot an weiteren Leckereien wie im Fluge. Gespräche mit so ungewohnt vielen Menschen, Singen am Lagerfeuer, ein traditionelles Trash-Tauschspiel und zu guter letzt: tatsächlich ein Helikopterflug!

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Die Ineffizienz dieser Maschinen ist schlichtweg absurd - in einer knappen Stunde Spassflug verbrauchen wir so viel Energie, wie unser Motor die letzten 20’000km umgesetzt hat - oder mit der ein durchschnittliches Auto rund 400km weit käme. Dennoch, es ist für uns eine Gelegenheit, die wohl einmal im Leben kommt und definitiv auch begeistert. Die Landschaft von oben betrachten eröffnet nochmals eine ganz neue Perspektive. Vielleicht komme ich ja irgendwann mal dazu, mich mit halbwegs vertretbaren Ansätzen wie Elektro-Deltagleitern zu beschäftigen..? Auf jeden Fall danke für den Flug, Camiel, und danke an die ganze Truppe für die tolle Zeit mit euch!

Die Rocky Mountains laufen hier in den ‘Voralpen’ gemächlich zu Hügeln und immer kleineren Unebenheiten aus. Unendliche Rapsfelder, durchsetzt mit Weizen und Grasland, welches mit der Zeit immer mehr Überhand nimmt. Nicht etwa mit Kühen darauf, das meiste Gras wird silagiert oder zu Heu gemacht und zu Ballen gerollt. Irgendwann ist die Landschaft nur noch flach, ausgeräumt, ab und an noch ein Hügel zur Abwechslung. Alberta ist die Fossilprovinz Kanadas, in zweierlei Hinsicht. Fast alle Kohle, Öl und Ölsande wurden und werden hier abgebaut, grosse Landstriche im Norden umgegraben. Und in der jahrmillionen alten Biomasse eingelagert, werden immer wieder spektakuläre Dinosaurier-Skelette und Knochen entdeckt. Zu bewundern in einer eindrücklichen Ausstellung im Museum zu Drumheller, am Red Deer River in den kanadischen Badlands.

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Über die Prärie fliegen wir mit Rückenwind dahin - oder kämpfen uns hart voran, wenn die Richtung dreht und unser Weg etwas nach Süden führt. Rauch von den Waldbränden in British Columbia verdunkelt den Himmel. Jannik, unser Reisekumpan in Banff, wurde in Jasper vom Feuer umzingelt und musste per Autostopp nach Calgary zurück. Wir sind zum Glück bereits aus der Region draussen, und erkennen 500km weiter nur noch am roten Mond und der vom Rauch verdunkelten Sonne das Ausmass der Feuer. Gewaltig.

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Auf der Suche nach Abwechslung im Gräsermeer machen wir einen Abstecher in den Süden, nach Cypress Hills. Eine Region mit Geschichte: hier wurde die North West Mounted Police gegründet, um nach einem Massaker an Einheimischen den Alkoholhandel und die damit einhergehenden Probleme einzudämmen. Die Mounties standen bei den Native Nations wohl - ganz im Gegensatz zur US-Kavallerie - in gutem Ansehen, da sie neben der Durchsetzung der Gesetze und Hoheitsansprüche des jungen Staates auch Schutz vor Übergriffen boten und einen Sinn für Gerechtigkeit - für alle Seiten - zeigten. Um Fort Walsh und am Frenchman River hat Sitting Bull nach der Schlacht am Little Big Horn / Battle of the Greasy Grass mit 5000 Sioux Zuflucht gesucht.. und musste einige Jahre später trotz eigenmächtiger Duldung seitens Kommandant Walsh aufgeben und in den USA einen Treaty, einen regelrechten Knebelvertrag, akzeptieren. In Kanada waren die Bison durch Überjagung bereits beinahe ausgerottet, ohne diese Lebensgrundlage wurde der Ressourcenmangel und Hunger zu gross.

Am 47. Breitengrad - von den Lakota ehedem Medicine Line genannt, weil diese unsichtbare Grenze ‘magisch’ die US-Soldaten aufhielt und zum umdrehen bewegte - findet sich heute der einzige Nationalpark Kanadas in einigermassen ursprünglicher Prärielandschaft. Bei einer Wanderung offenbart sich uns eine erstaunliche Biodiversität: dutzende verschiedene Gräser, Flechten und andere Pflanzen finden ihre Nische, und die einzige kanadische Kolonie von Schwarzschwanz-Präriehunden, einem murmeltierähnlichen Nage r, spannt ein ausgedehntes Tunnelnetz auf. Unser besonderes Highlight stellen jedoch die Bison dar. In respektvollem Abstand beobachten wir die mächtigen Gestalten, eine Herde mit rund 500 Tieren wurde hier wieder angesiedelt und pflegt die ursprüngliche Landschaft wie vor über hundert Jahren.

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Gen Osten wird die Ebene - man glaubt es kaum - immer noch flacher. Von Dorf zu Dorf begleitet uns der Spruch: wenn ihr erst nach … kommt, da wird das Radfahren toll. Dort gibt es keine so lästigen Steigungen mehr! Welche Steigungen, fragen wir uns? Gegen Ende von Saskatchewan, und mehr noch in Manitoba wird die Szenerie aber merklich wieder vielfältiger. Neben Grasfeldern tauchen Weizenäcker auf, auch gelb blühender Raps ist hin und wieder zu sehen, Sonnenblumen, Soya, ab und zu ein Wäldchen oder Sumpfgebiet. Wir verlassen allmählich die Prärie, und bald auch schon Kanada für eine Weile. Unser Weg führt südlich der grossen Seen in den Rust-Belt, die drei Swingstates im Nordosten der USA, die womöglich bald eine Schlüsselrolle in der Wahl zwischen Harris und Trump spielen werden.