Um Bakersfield lösen Ölfelder die Erneuerbaren ab. Rostige Pumpen quietschen vor sich hin, die Fläche ist durchzogen von einem Netz an Pipelines und Strommasten. Wir suchen unsere Route statt über den Highway natürlich durch die Plantagen nebenan. Phänomenal ausgebaute Landwirtschaftswege - mit vielleicht zwanzig Fahrzeug-Begegnungen an einem halben Tag. Strecke machen mit Zitrusduft in der Nase! Unendliche Orangenhaine, Mandarinen, Mandeln, Reben und Kirschen begleiten uns. Bei einer kurzen Rast summt und brummt es zu unserem Erstaunen fast wie in Regulas Kräuter-Paradies - mobile Bienenstöcke sei dank.
Riesig, rot-schön und unglaublich widerstandsfähig. Die Giant Sequoias, die man nur in einem schmalen Höhenband entlang der Sierra Nevada findet, lassen uns ruhig werden. Die schiere Immensitàt und die Zeit bestaunen, die diese Leben gesehen haben. Auf einer Baumscheibe sind einzelne Jahrringe mit historischen Daten markiert - Bau der Pyramiden, das Kolosseum in Rom, die Hochkulturen Mittelamerikas.. und immer mal wieder ein Jahrhundert-Feuer, dass seine Spuren hinterliess. In frühen Jahren des Parks wurden noch allerlei Attraktionen erfunden, um die Besucher für den Schutz und Erhalt der Waldgiganten zu gewinnen. Heute wird der natürlichen Entfaltung mehr Wert beigemessen, und der Klimawandel treibt die Ranger um. Toll, dass wir diesem Habitat noch begegnen dürfen, und einige Hektaren vor den Holzfällern bewahrt wurden. Hoffen wir, dass die zwei- bis dreitausendjährigen Riesen auch unseren Klimawandel besser als erwartet überleben!
Von Grant Grove geniessen wir eine einmalige Schussabfahrt fast bis zum Kings River hinunter. Die Höhenmeter eines halben Tages anstrengendem Hochkurbeln - abgerollt in einer halben Stunde und 30km den Berg herab 😀 Nun sind wir in einer heimelig grünen Voralpenlandschaft angelangt. Spärlich besiedelt, von Bächen durchzogen, gemütlich auf und ab bis zum nächsten Nationalpark.
Manchmal kann so ein Fahrradtag auch richtiggehend mühsam sein. Vor allem, wenn man schon zum siebten Mal den selben Schlauch flickt, der von einem daumenlangen Nagel eigentlich einfach irreparabel beschädigt wurde. Wenn die Dichtmilch den Kleber auflöst und die Flicken sowieso nicht recht taugen, der Ersatzschlauch aber leider vor zwei Tagen schon in ein anderes Rad musste und auf den letzten 200km schlichtweg nix aufzutreiben war.. denn natürlich ist dann auch noch der einzige Fahrradladen unterwegs geschlossen :/
Dann ist irgendwann einfach Zeit für Feierabend, an einem lauschigen Flüsschen nahe Yosemite dafür umso schöner. An solch einem Ort - wieder mal eingeschneit und ziemlich durchnässt vom Hagelpeeling bei der spätabendlichen Anfahrt - begegnen wir Jan und Nikolett. Die Beiden sind in einem geländetauglichen Lastwagen unterwegs, fast im gleichen Tempo wie wir, nur mit längeren Aufenthalten alle paar Tage. Die aussergewöhnlich hochwertige Ausstattung ihres Gefährts verrät den professionellen Yachtenbauer, und die vollwertige Küche hat ein Festessen für uns parat: Sonntagsbrot mit Kruste! Die Kleider vom strahlenden Sonnenschein getrocknet, ein netter Schwatz, und schon sind wir wieder guten Mutes auf dem Weg.
Der Yosemite Park selber ist schön, keine Frage. Vor allem die Wasserfälle jetzt im Frühling gefallen uns - die Einzigartigkeit der ‘tausenden Granitgipfel, so herrlich und überall’, die wohl Millionen Amerikaner hierher ziehen lässt, finden wir nicht ganz so aussergewöhnlich. Wir geniessen einfach die zwei hübschen Wanderungen, und vertrauten Aussichten..
In Santa Cruz erreichen wir wieder das Meer, und geniessen einen (fast) fahrradfreien Tag bei Len und Antonina. Unsere Zeltnachbarn für eine Nacht im Yosemite, haben die zwei uns prompt in ihr Haus voller Musik und Dankbarkeit eingeladen. Es ist gut, wieder mal einen ruhigen Tag zu haben, insbesondere um nach Hiker / Biker Campgrounds an der Küste zu suchen, und Antonina knüpft einen tollen Kontakt zu einem Haufen verrückter Fahrradenthusiasten - zu deren Kunstrennen in zwei Wochen müssen wir auf jeden Fall hinfahren! Vorher steht jedoch noch ein inspirierender Besuch bei der Forschungsfarm Twisted Fields an.
Der Weg nach Arcata führt entlang einer richtiggehenden Nebelküste. Hartnäckig klebt dieser an den Klippen, erst ab Mittag löst er sich manchmal langsam auf, dennoch ist das Wetter eher trüb und entspricht so gar nicht der Erwartung an den ‘Sunny State’. Neben Seehunden, der Golden Gate Bridge (selbstverständlich wolkenverhangen) und Feldern voller Rehe, hält die Region dadurch jedoch auch saftig dunkelgrüne Farnwälder bereit. Sahen wir in den Bergen die voluminösesten Bäume der Welt, fahren wir jetzt durch verzaubert ruhige Wälder der höchsten Bäume auf dem Planeten - Coastal Redwoods. In dichten Beständen, dunkel und satt, kann man sich richtiggehend vorstellen wie hier eine Gruppe von Tolkiens Elben singend und lachend dem Meer entgegen zieht. Für uns unsichtbar durch den Nebel ziehen andere Gruppen tatsächlich an uns vorbei Richtung Norden: die Grauwale, denen wir in Baja begegnen durften, sind auf ihrem alljährlichen Weg zurück ins Eismeer. Echt beeindruckend - die 10’000 Meilen die wir in einem Jahr Vollzeit geradelt sind als alljährlicher Lebenswandel.
Und dann sind wir da, beim Kinetic Sculpture Race!
Zwei Tage basteln und dekorieren im Basecamp, guter Vibe mit tollen Leuten, einfach eine Menge Spass! Ein ‘Velorennen’ über 3 Tage - alle Skulpturen werden mit Muskelkraft bewegt - über Land, Sand, Hügel und zu Wasser. Eine Mischung aus Fasnacht, Familienfest und Velodemo. Inspirierende Details, kreative Kunstwerke, Choreografie und abenteurliche Schweisserei bis zur letzten Minute vor dem Start. Festivalstimmung am Lagerfeuer, irrwitzige Preise für alle möglichen Kuriositäten, eine offizielle Bestechungskultur, begeisterte Gesichter überall. Für einmal fallen wir - trotz Hobbithöhle auf dem Anhänger - kaum auf in der Menge an bewundernswerten Gefährten. Grossartig!