Im äussersten Norden Kaliforniens wartet der tollste Campground, auf dem wir bislang waren. Prachtvolle Hirsche äsen direkt neben unserem Zelt, anscheinend in solcher Regelmässigkeit, dass die Lichtung sogar als Attraktion auf unserer Karte verzeichnet ist. Wir bleiben zwei Tage und erwandern den Fern Canyon - magisch jurassisch-grünes Wunderland. Tatsächlich, hier wurden einige Szenen von Jurassic Parc gedreht!

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Kurz vor der Grenze zu Oregon kommen wir das erste Mal durch ein richtig grosses Gebiet abgebrannten Wald. Über zehn Kilometer werden die Hügel nur noch von silbrig-schwarzen Skeletten geziert, die nackt in den Himmel ragen. Nur hie und da wurden einzelne Inseln verschont, die das vertraut kräftige Grün und Rot der Nadelbäume zeigen. Ein trauriger Anblick. Grundsätzlich gefällt uns jedoch der langsame Anstieg entlang dem unverbauten Smith River sehr gut, auch der Verkehr mit ab und zu Lastern voller Baumstämme stört uns nicht weiter. Und von Grants Pass bis Ashland geniessen wir fast einen ganzen Tag beste Radwege 😀

Offensichtlich sind wir wieder mal goldrichtig abgebogen, Hobbits aus Fieldbrook (For the Shire!) hatten uns zu sich eingeladen - und siehe da, das ist erst noch der bessere Weg zum Crater Lake als der, den wir auf dem Navi hatten. Nach einer Runde Bike Polo (ganz schön tricky, die Koordination von Rad und Hammer, aber auch ein grosser Spass) und einem Ruhetag kurbeln wir uns zwei Tage lang über hübsche Berghügel (der Jura lässt grüssen) bis zum gesprengten Vulkan mit dem tiefsten See der USA hoch.

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Der Highway von Chiloquin bis La Pine ist wieder mal ein eher zweifelhaftes Vergnügen. Mal ist der Randstreifen gut ausgebaut und es ist nur laut, mal verschwindet er beinahe und insbesondere die extra breiten Pickups mit Trailer überholen kriminell knapp. Hier sieht man wohl, dass kein Profi hinter dem Steuer sitzt - die Lastwagenfahrer schaffen es problemlos, einen anständigen Abstand einzuhalten.. Dafür gehts auf der - leider eine Weile unumgänglichen - Strasse flott voran, und die sechzig Extrakilometer wegen der noch eingeschneiten Strasse im Norden von Crater Lake sind bald vorbei.

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Die ganze Region hier vermittelt Plattentektonik zum Anfassen. Seit wir in Mexiko die Berge erreicht haben, fahren wir mehr oder weniger dem pazifischen Feuerring entlang. Wie jeder alte Ozean senken sich die Meeresplatten an ihren Ŕändern langsam in die Tiefe, während die Kontinentalplatten ringsum sich darüberschieben. An den Rändern wird das im Gestein gebundene Wasser in grosser Tiefe erhitzt und ausgepresst, schmilzt die obenliegenden Schichten an und drückt das gebildete Magma in die Ĥöhe. Dadurch werden - zum Beispiel an der amerikanischen Westküste - vielfältige geologische Strukturen geformt. Schildvulkane, Aschenkegel, Härtlinge, unterirdische Lavaröhren und die nach 7000 Jahren immer noch trostlose Landschaft eines Lavaflusses, um nur einige zu nennen denen wir begegnet sind. Letzterer, der Lavafluss, wird in unendlich kleinen mühsamen Schritten von der Natur als Lebensraum zurückerobert. Mittlerweile sind neben Flechten auch schon erste grössere Pflanzen zu entdecken..

Mount Mazama, heute Crater Lake, war einstmals der grösste Vulkan in Oregon. Schild über Schild, Schicht um Schicht wurde Lava bis auf 3700m aufgetürmt und wieder verwittert. Dann ein unvorstellbarer Ausbruch: ein Ring von Spalten öffnet sich 5700 v.u.Z. rund um den Gipfel, die komplette Spitze stürzt in den sich öffnenden Schlund. Jahrtausende später erleben wir den See mit klarstem blauem Wasser in der Caldera als Ruhepol, das sauberste Wasser der USA fast ohne Pestizidbelastung, da nur von Regenwasser aus einem überschaubaren Einzugsgebiet ohne Landwirtschaft gespiesen.

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In Bend nimmt uns Levi mit zur Kayaktour, wieder eine Bekanntschaft vom Strassenrand die zu einem tollen Besuch führt. Nochmal eine neue Perspektive auf die Vulkane vom kristallkalten Wasser aus, innovative Pedalflossenboote zum Ausprobieren und gute Gesellschaft (ihr seid nicht gemeint, Stechmücken!). Am Abend noch ein kurzer Ausflug mit gewöhnungsbedürftig aufrechten, aber klasse Fahrrädern durch das - wie wir schon bei der Einfahrt merkten - erstaunlich radfreundliche Städtchen, und dann ein herrliches Bett! Danke fürs Auftanken!

Auf der Weiterfahrt in den Norden erinnert Oregon wieder mehr an die Wüstenregionen in Mexiko - High Desert - und bald kämpfen wir einen Tag gegen den Wind dem Columbia River entlang. Nicht ohne Grund ein Paradies für Windsurfer und Kiter, die elegant-modern auf ihren Tragflügel-Brettern über die Wellenkämme fliegen. Sprichwörtlich!

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Der Columbia zeichnet auch die Grenze zum letzten Bundesstaat vor Kanada, den wir durchqueren. Wasserreich, bewaldet, überragt von überall sichtbaren Schneebergen und mit langer Küstenlinie liegt Washington vor uns. Auf einer verlassenen Waldstrasse um Mount Adams überrascht uns ein Rotluchs mit einem kurzen Besuch. Wir machen Pause am Wegesrand, da steht er plötzlich da, schaut kurz zu uns rüber und huscht lautlos weiter ins Unterholz. Wieder einmal wechselt das Wetter, neben der Strasse liegt noch Schnee und einen Tag verbringen wir lieber ganz im Zelt aufgrund des diesigen Nieselregens.

Umso mehr geniessen wir die schöne Gegend am ersten Sonnentag der folgt, auf guten Radwegen und ehemaliger Eisenbahnspur durch Redmond. Ob man daran Microsofts Steuermilliarden bemerkt, die sonst nicht besonders sichtbar sind? Der lokale Trek-Mechaniker ist auf jeden Fall super grosszügig - da sie kaum mehr 26 Zoll Reifen an Lager haben, schenkt er uns spontan zwei gebrauchte, aber augenscheinlich so gut wie neue Exemplare. Dankeschön!

Zum einstweiligen Abschied von den Staaten kommen wir in den Genuss eines für uns einzigartigen Kuriosums: Autokino auf Whidbey Island mit integrierter Übernachtung - “We rather have you crash with us than crash on your way home!” Wir sind offensichtlich auch kurios - aber hey, offiziell heisst die Location ‘Drive in Theatre’ - bekommen einen Zeltplatz in der ersten Reihe und sind herzlich Willkommen über Nacht zu bleiben.

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Und dann wartet da noch der Besuch in der schönsten MTB-Stadt der USA auf uns - bei Kristian: ehemaliger Downhill-Profi, Outdoor-Enthusiast, Wagemut im Überfluss, gleichzeitig sehr risikobewusst, ein exzellenter Handwerker und Mechaniker. Spannende Gespräche, baden im Wasserfall, selbstverständliche Hilfe mit besten Verbindungen zum Radladen der Stadt - wir erhalten anstelle der leider nicht sehr haltbaren Reifen aus Redmond einen perfekt passenden Dirt Jumper fürs Vorderrad - und fast zu rasch sind wir unterwegs zur Grenze.