Steppenhexe. Welch passender Name - zumindest aus Radler-Perspektive - für die vertrockneten Büsche, deren Dornen leider allzu oft ihren Weg durch unsere Reifen finden. Im saftigen Zustand unscheinbare Wüstensträucher, löst sich der dürre oberirdische Teil an seinem Lebensende von der überdauernden Wurzelpartie, und rollt vom heissen Wüstenwind getrieben über Stein und Weg. Tausende Samen im Schlepptau, die den von Ranchern eingeschleppten Russen die amerikanische Weite erobern lassen.
Vom Zion Nationalpark an, wo wir bei Robin in einem gemütlich ausgebauten Airstream übernachten dürfen, finden wir das erste Mal seit der Seine wieder einen Fluss, dem wir eine Weile folgen können. Der Virgin River - was für ein Luxus! Verschwenderisch Wasser zum Baden und Waschen, ein leises Plätschern im Ohr zur Gutenacht-Zeit und unser erster echter Radweg auf dem amerikanischen Kontinent.
Rote Sandsteinfelsen, jahrtausende alte Inschriften (neben modernen Kritzeleien) und eine Art Gämsen sehen wir im Valley of Fire. Der ursprünglich riesige Lake Mead liegt zurückgezogen von der ‘Northshore’ Road in der Ferne, und dann taucht wie eine Fatamorgana eine grüne Palmenwand mit blauem See auf.
Welcome to Fabulous Las Vegas!
Eine in vielerlei Hinsicht verrückte Stadt; wir sind froh, haben wir im südlichen Vorort Henderson einen ruhigen Unterschlupf gefunden: bei Kimberley, James, Elliot, Hannah und Jane landen wir wieder mal einen Glückstreffer. Die ganze Familie nimmt uns super herzlich auf und heisst uns in ihrem Daheim willkommen. Wir erhalten Zugang zur Werkstatt beim Schwager Chuck (die neu gefeilten Ausfallenden halten nach wie vor 1A, Danke!), spielen mit den Kindern und werden zum besten Fastfood der Stadt eingeladen. Eine Nacht am Strip, der berühmten Casino- und Showmeile, lassen wir natürlich auch nicht aus, wo wir schonmal hier sind. Neben einem Vulkanausbruch, Venedig indoors, einer riesigen Bildschirm-Kugel und vielen weiteren Einzigartigkeiten geniessen wir eine wirklich sehenswerte Tanzshow. Aus ein paar Tagen werden im Handumdrehen bald zwei Wochen, und auch für den Blog springen ein paar Stunden heraus - unter anderem ist nun auch unsere letzte Reise ans Nordkap hierher umgezogen.
Weiter gehts mal wieder etwas anders als geplant in Richtung Death Valley. Nach einem anstrengenden Tag mit etlichen Höhenmetern werden wir zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten von der Strasse weg eingeladen. Karen (the Bleeding Heart) und Mark heissen uns in ihrem Garten willkommen, kühle Getränke, interessante Gespräche und heisse Dusche inklusive. What a treat!
Auf dem Weg zur Oper mitten im Nirgendwo kommt uns ein Tourenradler entgegen. Kurzer Gruss, freudiges Erkennen, zum Plaudern brennt die Sonne zu heiss vom Himmel herab. Die Abfahrt von Osten her ins Tal des Todes ist einfach spektakulär und sei jedem Radfahrer empfohlen, und apropos ‘Death’: clevere Touristenfänger gaben wohl der Region und vielen Geländeformationen ihre bildlichen Namen, im Moment ist die Wüste hier gerade dabei zu erblühen..
Dennoch ist die Umgebung für Menschen anspruchsvoll. Bis fast hundert Meter unter dem Meer gelegen, kaum Niederschlag - wenn, dann aber heftig - und heute gegen Ende der noch angenehmen Zeit mit 42°C im Schatten sau heiss.. für uns ist das Tal nur dank einigen garantierten Wasserstellen des National Park Service erfahrbar.
Eine gut gemachte Ausstellung im Visitor Center von Furnace Creek erzählt von den zähen Pionieren, die einstmals diese Landschaft querten, immer im ungewissen wo die nächste sprudelnde Quelle liegt. Von den einheimischen Timbisha, die sich wohl wunderten was diese Verrückten im Tal nur wieder suchten - wo doch jeder weiss, dass Wasser oben, an den Berghängen, zu finden ist. Und von mancherlei kurzlebigen Goldrausch-Städten - Ghost Towns und tausende verlassene Minenschächte heute - die einstmals fabelhaften Reichtum versprachen.
Für uns heisst es im Dörfchen Mojave langsam Abschied nehmen von den windzerzausten Felsformationen, den ausgewaschenen Wasserskulpturen und offenliegenden geologischen Merkwürdigkeiten. Verabschieden dürfen wir auch die glühende Hitze, die eine gute Wasserplanung notwendig machte, und leider wohl auch den Sonnenschein im Überfluss. Aber noch ist es nicht ganz so weit: als wir vom Red Rock Canyon zu unserem Schlafplatz hinuntersausen wollen, macht orkanartiger Wind das Fahren schwer. Eine Warntafel weist drastisch darauf hin, dass hier schon Wohnmobile von der Strasse geweht wurden. Die Stämme grösserer Wacholderbäume bewegen sich deutlich, Stromleitungen schlängeln sich im Wind. Beaufort 7 vielleicht? Der Wetterdienst meldet Böen mit 67km/h - eine wertvolle Information für uns, ist dies doch zur Not als Seitenwind gerade noch fahrbar. Dennoch sind wir froh, finden wir für die Nacht Schutz im Schatten des Jawbone Visitor Center.
Auch am nächsten Tag lässt uns die Wüste nicht einfach ziehen, bis Tehachapi kämpfen wir uns gegen den Wind voran, umgeben von Solarparks und Windfarmen - die Erbauer wussten wohl, warum sie sich diesen Ort aussuchten. Der Eingriff in die Landschaft erscheint vor Ort gross, bewegt sich jedoch flächenmässig in der gleichen Grössenordnung wie der dadurch ersetzte Abbau fossiler Brennstoffe und ist deutlich weniger drastisch.
Durch das liebliche Tal des Oak Creek zum gleichnamigen Pass wird die Umgebung zusehends grüner, und auf der anderen Seite könnte man sich schon fast wie zu Hause fühlen.
Unsere Trail Angels Abel und Kim bieten uns ein warmes Bett und eine leckere Erinnerung an Mexiko - nach diesem anstrengenden und zuletzt richtiggehend kalten Tag eine wahre Wohltat. Und zum Glück weist uns Abel auf die möglicherweise geschlossene Strasse durchs Kern Valley hin - denn tatsächlich ist diese noch zu, und wir müssen nach Bakersfield ausweichen, um bald schon den Sequoia National Park zu erreichen.
Wir sind gespannt auf die roten Riesen!