Boah ey, mir ist schlecht. Was wohl zu erwarten war und doch dazu führt dass ich mich kurz frage was ich mir da wieder eingebrockt habe.. zum Glück beschränkt sich die Seekrankheit bisher auf eine üble Stunde und einzelne Momente unter Deck an denen mir schummrig wurde. Um sicher schlafen zu können werf ich mir dann manchmal eine Pille ein, aber an Deck ist das ganze für mich kein Thema. Rita turnt derweil fröhlich am Bugspriet rum, sie ist die einzige Shipmate die auch nach der Einfahrt in die Biskaya und tiefere Atlantikgewässer (4000m Wassertiefe sind irgendwie einfach beeindruckend..) keinerlei Anzeichen von Übelkeit zeigt.

Schwieriger für sie ist da schon die Gewöhnung an den seltsamen Schlafrythmus: 5-6h in der Nacht von 1h bis 7h, und am Nachmittag bei Licht noch eine Weile um nicht zu übermüden.

Für all die Mühe werden wir mit ungewöhnlich gutem Wetter entschädigt. Eine sommerliche Sonne scheint öfter bei wolkenlosem Himmel, des Nachts funkeln Sterne die wir an Land noch nie in dieser Klarheit sehen durften. Jupiter und Venus weisen uns den Weg, wenn wir am Ruder stehen. Eine fast meditative Aufgabe, die tanzende Kompassnadel und einen Fixpunkt am Horizont in Einklang zu halten, unablässig beeinflusst von wechselndem Wind und Wellengang. In scharfem Kontrast dazu stehen die Segelmanöver. Haul away on the halyard! Der Bootsmann ruft knappe Kommandos, wir ziehen was geht, schnell soll man sein und geschickt den richtigen Tampen erkennen. Viel zu verinnerlichen, und ein spannendes neues Feld! Es ist super, unter kundigen und sehr freundlichen Augen lernen zu dürfen, und zum Ende der Reise werden wir sicher ein ganzes Stück ‘salty’ geworden sein. Oder wie unser dänischer Bosun Valther sagt: “You’re Mountain people, ey? But you’re born sailors, you are. I can tell.” Bei etwas mehr Dünung bin ich mir da allerdings nicht so sicher..

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Heute kam ich mir vor wie in einem Actionfilm - wegen einem medizinischen Notfall (glücklicherweise scheint mittlerweile alles den Umständen entsprechend ok zu sein) mussten wir auf halbem Weg nach Spanien umdrehen und sind jetzt bis auf weiteres in Douarnenez. Kurz vor Land beschloss der Rettungsdienst dann plötzlich einen Hubschrauber zu schicken - neben dem schwer einschätzbaren Ernst der Lage war es wohl auch Training für die Jungs, auf jeden Fall spektakulär wie sich drei Leute bei halbwegs Wellengang auf unser Schiff abseilen. Bei gutem Wetter können wir ab Montag dann weitersegeln, ein finnischer Steuermann kommt hoffentlich an Bord. WPAGW. (weather permitting all going well)

Jetzt liegen wir also in Douarnenez, es ist viel Zeit das Schiff wieder mal richtig auf Vordermann zu bringen (Fettschichten aus der Galley entfernen, yummie!) und - wenn wir nicht gerade Wache haben - an Land baden zu gehen, Wäsche zu waschen oder in den Trubel des bretonischen Karnevals einzutauchen. An Bord geniesse ich die Ruhe endlich wieder mal ein Buch zu lesen, die Dschungelerfahrung von Sabine Kuegler auf mich wirken zu lassen und mit meinem Leben zu verbinden. Ihre Eindrücke als junge Frau, wie sie die Zeit der Gefühle, den Umgang der Fayu mit einer für mich hart scheinenden Lebensrealität beschreibt, berühren mich. Die fatalistische Gesundheit, Schicksale wie den Tod eines Kindes annehmen, Raum geben und zu gegebener Zeit weiterleben zu können - und im selben Buch eine unglaubliche Geschichte wie Veränderung möglich ist, eine selbstzerstörerische Kultur ihren Weg zu Frieden finden kann. Bemerkenswert.