Von Helsinki bleibt uns am meisten: Einladungen, Grosszügigkeit. Zuerst im Hacklab, dann in der Bike-Kitchen – von wo uns Daniel gleich mitnimmt zu einem kleinen Krishna-Tempel: Trommeln, Mantra-Singen und Tanz an einem unerwarteten Ort, purer Reis und süsser Reisbrei. Erinnerungen an Sri Lanka werden wach, die Rhytmen wecken Ghana-Bewegung. Wir stellen unser Zelt in den Zentralpark (eher ein Wald), werden freundlich darauf hingewiesen, dass striktes Feuerverbot gilt wegen Waldbrandgefahr und Hundepassanten wünschen uns eine gute Nacht. Am Morgen werden wir neugierig gegrüsst – und gleich zum typisch finnischen Frühstück, mit heissem Haferbrei, Omeletten und Eiscreme mit frischen heimischen Erdbeeren eingeladen.
Die erste Mahlzeit nach der Hauptstadt: gemeinsames Mittagessen mit einem Elch, der friedlich neben uns weidet. Wir haben keine Ahnung, wie lange er schon hier war bis wir ihn bemerkten. Ein imposantes Tier, so gross wie ein kleines Pferd und ohne Geweih – vermutlich eine Elchkuh? Leider läuft sie schnell weg, als ich aufstehe um die Kamera zu holen.
Am Nachmittag bläst Gegenwind, gefolgt von einer regenlosen Sturmnacht. Es wird kalt. Wälder, so weit das Auge reicht, haben die endlosen Ebenen und Felder Osteuropas längst abgelöst – hier immer wieder unterbrochen von bunten Wiesen und Gewässern jeder Grösse, Überbleibsel des grossen Baltischen Gletscherschildes. Vier Tage fahren wir am gleichen Ufer, über, in und um den selben verästelten See. Statt Rehen begegnen uns vermehrt Hase, Fuchs und Wiesel, die Lerchen werden vom Kuckuck abgelöst, der uns ständig mit seinem Ruf begleitet. Als wir nach einem Schlafplatz Ausschau halten, bleiben wir erstmal gebannt mitten auf der Strasse stehen: zwei Vögel tanzen um uns, singen und kehren immer wieder. Die langen Schnäbel elegant gebogen, unbekannt und ungewohnt. Ob sie hier ein Nest haben? Wir staunen und lauschen, und ziehen dann weiter zum nächsten See.
Mückenjagd vorm Abendessen. Im Vorzelt. Freundlich-respektvolle Finnen, etwas unnahbar: wir fragen ob wir das Zelt stellen dürfen. Klar, aber wir machen zuerst noch Sauna, ab zehn Uhr dürft ihr hier gern am See übernachten. Die Privatsphäre scheint 100m zu betragen. Gleich danach ganz gegensätzliche Geselligkeit: statt bei der verlassenen Schule nur zu kochen, wie uns empfohlen wurde, entschliessen wir uns hier das Zelt zu stellen. Während das Gemüse für die Fajitas kocht, hält ein Autofahrer und versucht uns mit Hand und Fuss (und einer Dose Bier) etwas über Alkohol zu erzählen. Fünf Minuten später taucht er wieder auf und lädt uns zu einer Runde typisch finnischem Hochprozentigem ein - in aller Seelenruhe, von Stechmücken umschwirrt auf dem moosig-weichen Waldboden sitzend. Yksi, kaksi, kolme. Kiitos! So weit unser bisheriger Sprachschatz. Es ist zwar schwierig sich wirklich zu verständigen, aber wir lachen ob der gemeinsamen Unbeholfenheit und freuen uns an der herzlichen Begegnung.
Kelirikko! Schotter. Mittlerweile sind auch die finnischen Hauptstrassen nicht mehr zuverlässig asphaltiert, und wir weichen wieder auf die Schnellstrasse aus. Bei relativ wenig Verkehr und vor allem nordischen Autofahrern ist das sehr viel angenehmer als in Lettland. Einmal bleibt ein Entgegenkommender sogar fast auf der Strasse – Tempolimit 100 – stehen, um ein gutes Foto von uns zu machen. Kommt ja eh keiner, und man hat die nächsten acht Kilometer bis zur Kurve gut im Blick. Die letzte Strecke vor Oulu, nach sehr einem erfreulichen Wegstück auf einer kleinen Strasse, ist wieder anstrengend. Die Aufrechtradler stehen fast im Gegenwind, und auch wir werden von einzelnen Böen auf unter 20 km/h gedrückt – trotz gutem Veloweg ohne Steigung.