Und nun sind wir endlich wieder richtig unterwegs. Das Fahrrad ist zusammen gebaut und hat den Transport tadellos überstanden, der Anhänger bis auf den verbeulten, hitzeversehrten Staubschutz auch, und alle Taschen sind gepackt. Auf der Strasse gehen immer wieder Daumen hoch, vor dem Supermarkt werden wir staunend angesprochen. Wir fühlen uns willkommen und mir scheint Quintana Roo auf den ersten Blick sehr freundlich, speziell auch als Fahrradfahrer. Viele Lastendreiräder sind unterwegs - orgullosamente producido en Mexico. Sie dienen als Taxis, Möbeltransport oder mobile Läden. Die Strassen sind erstaunlich gut, der Verkehr meist sehr zuvorkommend und deutlich entspannter als gewohnt. Schmale Motorräder statt fetter Neuwagen prägen das Strassenbild. Auffallend oft werden die Warnblicker eingestellt, wenn ein Auto nicht gleich sicher überholen kann, und die meisten warten mit gutem Abstand hinter uns auf ihre Gelegenheit. Innerorts ist häufig nicht ganz klar wer eigentlich Vorfahrt hat, oder alle werden mit heftigen Schwellen erstmal abgebremst - vielleicht wird deswegen so wenig gedrängelt, oder weil für das Missachten des Fussgänger-Vortritts 14 Monatsgehälter (!) Busse angedroht werden.

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An unserem ersten Tag bewegen wir uns auf der Ruta de los Cenotes, und dürfen gleich in eines der Highlights von Yucatan eintauchen. Die Gegend an der Riviera Maya ist super touristisch aber schön, wir suchen uns die wohl einfachste Cenote aus und werden sehr freundlich begrüsst. Die zwei Wächter haben Freude an unserem Gefährt, und schenken uns den Touristen-Teil des Eintritts - so schnell wird man zum Mexikaner adoptiert. Kristallklares Wasser in einer teils eingestürzten Höhle, mit dem Grundwasser verbunden und von magisch glucksenden Lauten erfüllt. Eine erfrischende Siesta, Reisen wie im Paradies. Als die Sonne etwas nachlässt ist es für uns Zeit, weiterzufahren - nicht ohne einen weiteren Schwatz am Tor. Unsere Pläne wecken grosses Staunen, und die beiden lassen es sich nicht nehmen, uns vor der Abreise ein leichtes Langarm-T-Shirt gegen die Sonne zu schenken. Muchas gracias, qué generosidad!

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Leider ist der Campingplatz, den wir auf AirBnB hätten buchen können, nicht auffindbar - wohl geschlossen oder hinter einem der Tore versteckt, die jeden abzweigenden Weg versperren. Wir fragen um mögliche Nachtquartiere in den kleinen Dörfchen unterwegs, oder ob es einen geeigneten Platz gäbe um unser Zelt aufzuschlagen. “Aqui no”, aber gleich in der Nähe - wahlweise 100km weiter oder zurück - gäbe es sicher etwas. Dafür finden wir schlussendlich easy einen Platz im Dschungel in einer verlassenen Ruine. Ohne Fahrtwind wird das Zeltaufstellen - oder einfach nur rumstehen - zur schweisstreibenden Angelegenheit. Einige Mücken gesellen sich dazu und sorgen dafür, dass wir bald in unserem Zuhause verschwinden. Grillenzirpen, Vogelkonzert - Zähneputzen mit dem Ruf eines fliegenden Teekessels in den Ohren. In der Nacht ungewohnte Geräusche, einmal ein Heulen und Bellen in der Nähe - ganz so abenteurlich wollten wir unsere Reise hier eigentlich gar nicht starten..

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Die zweite Nacht haben wir mehr Glück mit einer Unterkunft, in den grösseren oder touristischen Ortschaften gibt es manchmal was - und beim dritten Mal landen wir einen Glückstreffer: am Abend unterhalten wir uns mit einer Maya-Familie über den Gartenzaun. Sie haben Freude an unserem Gefährt, wir am Schatten ihres grossen Baums. Als wir fragen, ob es in den umliegenden Dörfern eine Übernachtungsmöglichkeit gäbe, oder sie einfach so ein Zelt irgendwo aufstellen würden, laden sie uns spontan auf ihr neues Stück Land ein. Einer der 12 Brüder und 3 Schwestern wohnt bereits dort, ein neues Haus ist am entstehen und wir dürfen unser Zelt direkt daneben hinstellen. Während Rita unter neugierigen Blicken aufbaut, muss zuerst der älteste Bruder etwas widerstrebend eine Probefahrt auf unserem Tandem absolvieren, damit sein jüngerer Bruder danach auch mitfahren darf. Schlussendlich gefällt es allen ganz gut, “Sehr bequem und fast wie ein Roller, aber gleichzeitig mit Sport!”

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Strandstand

Unterwegs nach Las Coloradas: 35km Sandpiste mit Waschbrett-Rillen, meist fahrbar aber anstrengend. Ab und an verreissts das Vorderrad oder wir tauchen 10cm in den Sand ein - abrupt gebremst. Bewährungsprobe für unser neues Gespann, und ja, das geht wenns muss. Nur kurze Blicke erhaschen wir auf erstaunlich rosafarbenes Wasser, der Strand auf der anderen Seite wie aus einem Bilderbuch der Karibik. Hier wird Meersalz gewonnen, und Flamingos tummeln sich im nicht ganz so konzentrierten Wasser der angrenzenden Lagune. Weiter gehts wieder auf (zumeist) exzellenten Strassen, gesäumt von endlosem Dschungel, Mangroven und Wald. Ab und zu wird das dichte Grün nun durchbrochen von offeneren Dornbuschlandschaften mit einzelnen Rindern drauf, auch frisch brandgerodete Felder gibt es hin und wieder. Die Maya-Dörfer mit ihren Subsistenz-Feldern fügen sich im Gegensatz zu den gross angeschriebenen Fincas in den Wald ein, scheinen fast ein Teil davon. Überwiegend begleitet uns das Gefühl von fast unberührter Natur entlang des Fremdkörpers, auf dem wir uns bewegen. Beachtlich viele Vögel - leuchtend blau mit einer Quaste am Schwanz, grellrot, knallgelb, viele in kräftiger Farbe. Auch die grossen Schmetterlinge schillern in prachtvollen Tönen, während Leguane erstarrt und gut getarnt auf Steinen harren. In der nächsten Nacht werden wir von einem wieselartigen Zwergäffchen mit kleinen, harten, angeknabberten Früchten bombardiert. Wohl bekomms ;)